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Draftrückblick 2014: Cleveland Browns

Unser Draftrückblick geht in der AFC North weiter und dort beginnen wir bei dem Team, das letztes Jahr die Division als Vierter abschloss – die Cleveland Browns. Diese haben nach einem enttäuschenden Saisonabschluss mit sieben Niederlagen in Serie ihren Head Coach Rob Chudzinski nach nur einem Jahr wieder entlassen. Danach gestaltete sich die Suche nach einem Nachfolger schwierig, denn wer will schon für ein Team arbeiten, das seinem Übungsleiter nicht genug Zeit gibt, sein neues Konzept zu etablieren. Am Ende wurde es die gefühlt 23. Wahl in Mike Pettine, der davor als Defensive Coordinator in Buffalo tätig war. Nachdem es so lange dauerte einen Nachfolger von Chudzinski zu finden, holte Besitzer Jimmy Haslam gleich die Kettensäge raus und sägte das komplette Front Office ab. Der komplette Neuanfang, ein Jahr nach dem letzten kompletten Neuanfang, kann also beginnen. In der ersten Runde des Drafts hielten die Browns den vierten und 26. Pick.

 

Den vierten Pick gaben sie aber an Buffalo ab, im Gegenzug für deren neunten Pick sowie die Erst- und Fünftrundenpicks aus 2015. Somit werden die Browns (vorausgesetzt sie traden die nicht weg) auch im nächsten Draft zwei Picks in der ersten Runde haben. Als die Vikings an achter Stelle an der Reihe waren, bekamen die Browns aber wohl Panik, weil ein anderes Team hochtraden und ihnen den Wunschspieler vor der Nase wegschnappen könnte. Also investierten sie ihren Fünftrundenpick, um einen Platz auf acht hochzukommen.

 

Dort wählten sie CB Justin Gilbert von Oklahoma State. Er ist ein sehr vielseitiger Cornerback, der sowohl Press-, als auch Off-Man Coverage und Zonenverteidigung spielen kann. Er bringt eine gute Größe (6‘0‘‘) und eine sehr gute Athletik mit und besitzt die Ball Skills, um einige Interceptions zu fangen. In diesem Draft war er der Cornerback, der einem Shutdown-Cornerback am nächsten kommt. In Cleveland hat man bereits einen sehr guten und auch hoch gedrafteten Corner in Joe Haden. Auf der anderen Seite spielte letztes Jahr aber Buster Skrine. Kennt ihr nicht? Kein Problem, man muss ihn auch nicht kennen. Bei Pro Football Focus belegte er unter den Cornerbacks (die mindestens 25% der Snaps gespielt haben) den 106. Platz. Nur vier andere Spieler waren schlechter. Gilbert sollte ihm gegenüber ein deutliches Upgrade von Beginn an darstellen. Rookie-Cornerbacks haben zwar meistens große Probleme mit der Umstellung auf die NFL, aber schlechter als Skrine sollte er nicht sein. Und auf Dauer könnten die Browns ein sehr starkes Duo haben.

 

In den Zwanziger-Picks schien auf einmal das Gerücht den Umlauf zu machen, dass die Eagles ihren Pick zu einem Quarterback-brauchenden Team wegtraden wollen. Die Vikings hatten wohl unter anderem Interesse, aber die Browns bekamen den Zuschlag. Dafür gaben die Browns den 26. Pick (den sie von den Colts hatten) und ihren zweiten Drittrundenpick (von den Steelers) ab. An 22. Stelle wählten sie QB Johnny „Football“ Manziel von Texas A&M. Kein Spieler hat in dieser Draftklasse so polarisiert wie Manziel. Menschen lieben ihn, Menschen hassen ihn, manche halten ihn für unterbewertet, andere für überbewertet. Festzuhalten ist, dass er ein „Baller“ ist. Er gibt alles, damit sein Team gewinnen kann, auch wenn es dann manchmal nach hinten losgeht. Als Quarterback, ist er etwas klein geraten, besitzt aber große Hände, womit ihm das raue Wetter im Norden keine Probleme bereiten sollte. Sein Wurfarm ist nicht der stärkste oder genaueste, aber er bringt in beiden Bereichen genug mit, um erfolgreich zu sein. Seine große Stärke ist sowieso das Scramblen und Improvisieren. In den Bereichen macht ihm keiner so schnell etwas vor. Letztes Jahr hatten die Quarterbacks ihre Probleme mit Druck durch die Mitte, weil die Guards nicht wirklich gut gespielt haben. Damit dürfte Manziel deutlich besser zurechtkommen. Dazu sollte er der recht leblosen Franchise neuen Schwung geben und in der Stadt für Euphorie sorgen.

 

Zu Beginn der zweiten Runde entschieden sich die Browns für OT/OG Joel Bitonio von Nevada. Am College spielte er Left Tackle, bei den Browns ist er wohl als Left Guard eingeplant. Bitonio ist ein sehr guter Athlet und sehr beweglich, dabei aber noch technisch etwas unausgereift. Mit seiner Spielweise passt er aber in eine Kyle-Shanahan’sche Offense mit dem Zone-Blocking. Wie eben schon angesprochen, war eine der großen Schwachstellen der Browns im letzten Jahr das Spiel der Guards. Bitonio sollte direkt als Starter reinkommen und dafür sorgen, dass Manziel besser beschützt wird. Er wird am Anfang vermutlich einige Schwierigkeiten bekommen, besitzt aber genug Upside, um sich in einen sehr guten Spieler zu entwickeln.

 

In der dritten Runde verstärkten die Browns zunächst weiter ihre Defense mit ILB Christian Kirksey von Iowa. In der letzten Saison hatten die Browns ihre Sorgen mit den Inside Linebackern D’Qwell Jackson und Craig Robertson. Jackson wurde seitdem entlassen und dafür Karlos Dansby in der Free Agency für (zu) viel Geld geholt. Robertson ist aber immer noch da. Zugegeben, er ist noch relativ jung (26) und hat sein erstes Jahr als Vollzeitstarter hinter sich, aber es kann sicher nicht schaden, sich nach einer guten Alternative umzuschauen. Diese Alternative sollte Kirksey sein. Mit ihm, James Morris und Anthony Hitchens hatten die Iowa Hawkeyes gleich frei Linebacker in diesem Draft (wobei Morris erst als undrafted Free Agent zu den Patriots ging), von denen Kirksey der athletischste ist. Er ist ein dynamischer Sideline-to-Sideline Defender, der Robertson mindestens Feuer unterm Hintern machen, wenn nicht sogar ihn ersetzen wird.

 

Am Ende der dritten Runde wollten die Browns noch unbedingt einen neuen Running Back. Daher fädelte man einen Trade mit den 49ers ein, um RB Terrance West von Towson zu picken. Dafür gaben sie ihren Viert- und Sechstrundenpick ab. Für mich war der Pick aber aus zweierlei Sicht fragwürdig. Zum einen gab es zu diesem Zeitpunkt noch einige gute Running Backs auf dem Board, so dass man aus meiner Sicht auf den Trade nach oben hätte verzichten können, zum anderen gab es (wieder aus meiner Sicht) bessere Running Backs, die man hier hätte wählen können. West ist ein Power Back, der von einer dominanten Offensive Line und schwacher Konkurrenz profitiert und so zugegeben sehr starke Leistungen gezeigt hat. In der Free Agency holten die Browns bereits Ben Tate aus Houston (wo er zwar nicht unter Kyle Shanahan spielte, aber in einer sehr ähnlichen Offense), um den Abgang von Trent Richardson zu kompensieren. Ich hatte im Draft schon mit einem weiteren Running Back für die Browns gerechnet, aber eher mit einem, der besser in ein Zone-Blocking Scheme passt. Es wird spannend zu sehen, wie West in die Offense eingebaut wird.

 

In der vierten Runde wählten die Browns mit dem Pick der Colts CB Pierre Desir von Lindenwood. Desir bringt eine gute Größe (6‘1‘‘) und Athletik mit, muss aber noch viel lernen, was das Spiel der Cornerback-Position anbelangt. Bei Lindenwood hat er mit viel Abstand und auf Sicherheit bedacht gespielt, wobei er den Abstand mit seiner überlegenen Athletik dann schnell verkleinern konnte. In der NFL wird das nicht mehr funktionieren und er wird sich sehr umstellen müssen. Im ersten Jahr sollte man von ihm noch nicht allzu viel erwarten – vielleicht bekommt er auch eine Art Redshirt-Jahr, in dem er nur im Notfall das Feld sieht bzw. in den Special Teams. Zusammen mit dem letztjährigen Drittrundenpick Leon McFadden sollte er der Position aber Tiefe verleihen, damit man sich mittelfristig nicht mehr auf Buster Skrine verlassen muss.

 

Danach hatten die Browns nur noch einen Pick in der siebten Runde, den man für einen Sechstrundenpick im nächsten Jahr an die Ravens abgab. Die Browns sind in diesem Draft dreimal hochgetradet, um Spieler zu bekommen, die sie unbedingt haben wollten, an einer Stelle, wo sie nach ihrem Board wohl auch guten Value boten. Allerdings ist diese Strategie etwas fragwürdig, wenn man so viele Löcher im Kader hat, wie die Browns es taten bzw. ein Stück weit immer noch tun. Ebenso fragwürdig ist die Strategie, keinen Wide Receiver zu ziehen. Vor dem zweiten Tag des Drafts wurde bekannt, dass Superstar Josh Gordon wegen wiederholten Drogenkonsums wohl die gesamte kommende Saison gesperrt wird. Neben ihm hat man kaum veritable Anspielstationen. In der Free Agency holte man vor und nach dem Draft Andrew Hawkins, einen guten Slot Receiver, Earl Bennett, der in Chicago nie mehr als die Nummer drei war, Nate Burleson, der vor vier Jahren eine gute Verpflichtung gewesen wäre, und Miles Austin, dessen Dynamik in den letzten Jahren unter zu vielen Verletzungen gelitten hat. Keinen von denen wird eine Nummer eins sein und entsprechend viel wird man wohl von Tight End Jordan Cameron erwarten. Gleichzeitig ist dies aber auch die Chance für den ein oder anderen undrafted Free Agent, sich einen Platz im Kader und Spielzeit zu erkämpfen. In Chandler Jones (San José State), Jonathan Krause (Vanderbilt), Kenny Shaw (Florida State) und Willie Snead (Ball State) sehe ich da vier ernsthafte Anwärter.

 

Durch die vielen Hochtrades und den Quarterback-Pick in der ersten Runde, ist der Draft der Browns ein ziemlicher Boom-or-Bust Draft. Abgesehen von dem Terrance-West-Pick, der mich gerne eines Besseren belehren darf, kann ich von den einzelnen Spielern an ihren Positionen nichts aussetzen. Allerdings hätte ich in der vierten Runde lieber einen Receiver gesehen, als einen Cornerback, der zunächst kaum Einsatzzeit sehen wird.

3 comments

  1. Gamecock /

    Wieder keine Erwähnung von Connor Shaw, der als Undrafted Free Agent zu den Browns ging. Da blutet mir erneut das Herz 😉
    Ein QB-Duo Manziell/Shaw hat für mich (ja da ist auch Carolina-Bias dabei) richtig viel Potential. Johnny Football mag von beiden der talentiertere sek
    in- Shaw ist vom Spielstil aber ähnlich und ist für mich der solidere Spieler (ja – auch hier mag ich die Caürolina-Brille noch aufhaben )

    Auf jeden Fall finde ich diese Rookie-QB-Kombi sehr interessant… Meinungen dazu ?

    • Roman John /

      In den schriftlichen Rückblicken gehe ich nicht auf die undrafted Free Agents ein – und so einer ist Shaw nunmal. Ich denke, dass er sich den Posten als dritter QB hinter Manziel und Hoyer erkämpfen kann um langfristig als Backup aufgebaut zu werden. Wie Manziel hat Shaw Qualitäten als “Baller”, wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass Shaw irgendwann anstelle von Manziel startet. Dafür ist er dann doch spielerisch zu eingeschränkt. Als guten Backup kann ich ihn mir aber durchaus vorstellen.

  2. Christian Schimmel /

    So besser spät als nie. Shaw ist ein Baller und ich halte es für möglich, dass er das Team macht. Roman nennt die Gründe, warum auch ich ihn nicht starten sehe.