Die Stars von morgen schon heute

Minnesota Vikings

Ein neuer Tag, eine neue Saisonvorschau bei DerDraft. Heute beschäftigen wir uns mit den Minnesota Vikings, von denen Flo Zielbauer vom Hard Count Blog ein bekennender Fan ist. Entsprechend hat er unsere Fragen beantwortet.

 

1. Wie ist deine persönliche Einschätzung zum Sharrif-Floyd-Pick und wie passt er in das Team?

Antwort: Während sich 31 Teams immer noch gegenseitig beschuldigen, warum niemand ihn früher genommen hat, lachen sich die Wikinger und ihre Fans ins Fäustchen. Ein Top-Fünf-Spieler an Nummer 23? Nehmen wir. Vom Schema her passt er exzellent in die Vikings-Defense, die die meiste Zeit mit einer Vierer-Front aufläuft, in der er fast alle Positionen spielen könnte. Am liebsten hätten ihn die Vikings wohl auf der „3er-Technik“, das heißt auf der der Außenschulter des Guards. In einer Vier-Mann-Front haben die Spieler in der Regel nur ein Loch, für das sie verantwortlich sind, in das sie quasi hinein“schiessen“, um es zu stopfen. Dieses „Schiessen“ der Löcher gehört zu den Spezialitäten von Floyd, weswegen er sich bei den Vikings pudelwohl fühlen wird. Auch langfristig sieht die Situation für ihn rosig aus. Defensive Tackle Kevin Williams wird 33 Jahre alt sein, wenn die Saison beginnt. Er hat noch genug Jahre im Tank, um den Jungen Floyd neben und hinter sich anzulernen, bevor dieser dann für ihn die Hauptaufgaben in der D-Line übernehmen kann.

 

2. Gerald Hodges ist der jüngste Abgänger der „Linebacker U“. Kann er es schaffen, das schwache Linebacker-Corps der Vikings aufzubessern?

Antwort: Ja, das schwache Linebacker-Corps der Vikings. Es führte schon am Drafttag zu unendlichen Spekulationen über jeden einzelnen Vikings-Erstrundenpick, ob das denn nun der Pick sei, mit dem sie Notre-Dame-Linebacker und falscher-Freundin-auf-den-Leim-Geher Manti Te‘o nehmen würden. Es kam allerdings anders. Man nahm das Linebacker-Pärchen Gerald Hodges (vierte Runde) und Michael Mauti (siebte Runde). Wo die beiden Jungs herkommen, ist gutes Linebacking Tradition. Klingelt etwas bei den Namen NaVorro Bowman, Sean Lee, Paul Posluszny, Cameron Wake und Tamba Hali? Hoffentlich. Das jahrelange  Unter-den-Teppich-kehren von Missbrauchsfällen an der Universität, das der „Linebacker U“ massive NCAA-Strafen einbrachte, verweigerte den Beiden und dem Rest der Penn State Nittany Lions eine Teilnahme an einem Bowl-Spiel in ihrer letzten Saison. Obwohl es Penn State-Spielern nach dem Skandal freigestellt war, das Team ohne Konsequenzen zu wechseln, entschlossen sie sich zu bleiben und den Job zu Ende zu machen, was man getrost als Zeichen für guten Charakter sehen kann.

Gerald Hodges ist der agilere, athletischere von Beiden, der deswegen seine Brötchen mit seinen 1,89 m bei 110 kg wahrscheinlich als Outside Linebacker verdienen wird. Da er nicht wie Michael Mauti als „Projekt“ genommen wurde (Mauti hat gerade seine dritte Knieverletzung hinter sich und befindet sich noch in der Rehabilitation), ist er im Moment der primäre Anwärter auf den Weakside-Linebacker Spot, wenn Erin Henderson tatsächlich in die Mitte rutschen sollte. Er wird als exzellenter Passverteidiger gesehen, der sowohl Running Backs als auch Tight Ends zuverlässig decken kann. Seine Laufverteidigungsarbeit wird als ausbaufähig gesehen, da er noch ein paar Kilos und ein bisschen bessere Handarbeit benötigt, um auf Dauer Blocks von Zwei-Meter-Kolossen  schlagen zu können. Bis jetzt ist man in Minnesota beeindruckt von Hodges, was allerdings kaum jemanden verwundern sollte, da seine Schwächen eher im Blocks-Schlagen als im Covern liegen und man im Moment sowieso nur in Shorts und ohne viel Kontakt trainiert. In schwachen, schwelgerischen Momenten sehe ich Hodges als dominante, Jermichael Finley- und Brandon Pettigrew-frustrierende Tacklemaschine für die nächsten zehn Jahre.

 

3. Welcher Rookie wird vermutlich die meiste Spielzeit bekommen?

Antwort: An diesem Punkt in der Saisonvorbereitung gehe ich davon aus, dass Erstrundenpick Xavier Rhodes den Kampf um den zweiten Starting-Cornerback-Job gegen Josh Robinson gewinnen wird und deswegen die meisten Spielzüge auf dem Spielfeld sein wird. Cordarelle Patterson wird wohl nicht in allen Personalpaketen dabei sein und Defensive Linemen werden oft rotiert, was auch Sharrif Floyd von der Liste der Anwärter auf den „Meiste-Spielzeit-Award“ streichen sollte. Fünftrundenpick und Punter Jeff Locke (UCLA) will ich am liebsten überhaupt nicht auf dem Spielfeld sehen.

 

4. Von welchem undrafted Free Agent erwartest du am meisten?

Antwort: Um ehrlich zu sein erwarte ich von keinem einzigen UDFA, dass er es in den Kader schafft, was allerdings auch nicht besonders verwunderlich ist. Wenn man diesen Spielern zu diesem Zeitpunkt schon so viel zutrauen würde, wären sie ja gedraftet worden. Eine Aussenseiter-Chance auf einen Platz im Kader hat anscheinend Wide Receiver Erik Highsmith, ein ehemaliger North Carolina Tarheel. Mit seinen 1,92 m und vor allen Dingen einem Vertical Leap (Hochsprung, anhand der Handposition gemessen) von über einem Meter könnte er ein nettes Red-Zone-Ziel für Goal Line-Faderouten von Christian Ponder sein. Ob das aber reicht, um es in den Kader zu schaffen? Stirnrunzeln.

 

5. Welcher Draft Pick deines Teams hat dich am meisten begeistert?

Antwort: Hier muss ich nicht lange überlegen. Traditionell sind es Offensive Backs, die Fanherzen am Drafttag höher schlagen lassen. Ich bin hier keine Ausnahme. Cordarelle Patterson ist mein Mann. Er könnte ein ganz großer Spieler werden oder ein ganz großer Bust, dazwischen gibt es wenig Spielraum für einen Spieler, der so hoch im Draft genommen wird und auch noch Receiver spielt – eine Position, auf der Spieler in der Regel einen zwei- bis dreijährigen „Reifeprozess“ überstehen müssen, um ihr maximales Potential zu erreichen. Warum ich CP (wie die Vikingsanhänger ihn liebevoll nennen) eher für ersteres halte, habe ich schon ausführlich per Fanpost im sbnation-Blog Daily Norseman dargelegt und werde es hier nur noch kurz anschneiden. Das Offensiv-Schema der Vikings liegt CP gut, da er nicht viele komplizierte Routen rennen wird (noch eine seiner großen Schwächen). Die Vikings lieben ihr Kurzpassspiel und verlangen von ihren Spielern, dass sie nach dem Catch für etwas YAC (yards after catch) sorgen. Wenige können das besser als Patterson (Beweise?). Vikings-Offensive-Coordinator Bill Musgrave hat außerdem Erfahrung damit, den Ball in die Hände von herausragenden Spielern zu bekommen und sie einfach „ihr Ding“ machen lassen (Stichwort Percy Harvin). Ich freu mich wirklich darauf, den Jungen in Aktion zu sehen.

 

6. Welcher Rookie aus 2012, der bisher etwas unter dem Radar geflogen ist (höchstens zwei Starts), könnte 2013 den Durchbruch schaffen?

Antwort: Das ist für mich definitiv Jarius Wright, der Wide Receiver mit der Nummer 17. Obwohl er im letztjährigen Draft in der vierten Runde von den Vikings ausgewählt wurde (Nummer 118 insgesamt) spielte er nur die letzten sechs Spiele der Saison (davon ein Start), da er sich noch vor Saisonstart am Knöchel verletzte. In diesen sechs Spielen brachte er es auf 22 Catches für 310 Yards und zwei Touchdowns. Hochgerechnet auf mögliche 16 Spiele wären wir bei Zahlen von 59 Catches für 827 Yards und fünf Touchdowns, was durchaus eine solide Rookie-Saison dargestellt hätte. Natürlich bewege ich mich mit diesen Zahlen im Reich der Mutmaßungen, aber man wird ja träumen dürfen. Die kommende Saison könnte Wright richtig angreifen. Mit einer kompletten Offseason im Gepäck und außer dem Neuankömmling Greg Jennings keinem gesetzten Receiver vor ihm auf dem Depth Chart (ich bin kein großer Jerome-Simpson-Fan) bietet sich ihm dieses Jahr eine einzigartige Gelegenheit, die er nur noch am Schopf packen muss.

 

7. Mit Sharrif Floyd, Xavier Rhodes und Cordarrelle Patterson wurden in der ersten Runde drei Spieler geholt, die alle ein hohes Risikopotential haben. Schon vor zwei Jahren ging man ein Risiko ein, als man Christian Ponder recht früh (zwölfter Pick insgesamt) auswählte. Zeichnet sich hier ein Muster ab?

Antwort: Ich muss etwas widersprechen, dass die einzelnen Spieler, die dieses Jahr geholt wurden, hohes Risikopotential hätten. Alle drei wurden unter der jeweils zugehörigen „Konsens-Position“ die die Draftniks ihnen zugestanden hatten geholt. Sharrif Floyd, der bei manchen Analysten als möglicher Top-Fünf-Pick galt, und auf Andy Goldschmidts „wahrlich durchschnittlichem Big Board“ Platz 12 einnahm, holte man an Stelle 23, Cordarelle Patterson (durchschnittliches Ranking: 10) holte man mit Pick 29. Xavier Rhodes schaffte es zwar nicht aufs „wahrlich durchschnittliche Big Board“, galt jedoch bei über 90% der Schreiberlinge als Erstrunden-Pick, vielen sogar als Top-15-Pick und dürfte von daher an 25 auf keinen Fall zu früh verpflichtet worden sein. Xavier Rhodes und Sharrif Floyd sind über ihre Draftposition hinaus auch frei von anderen Risikofaktoren wie krimineller Vergangenheit, Drogenmissbrauch oder schlechtes Benehmen in College oder High School und gelten als Starter ab dem ersten Tag. Das einzige rote Tuch an Sharrif Floyd waren seine verhältnismäßig kurzen Arme (Eine Besorgnis, die von Vikings-Fans eher weniger ernst genommen wird). Cordarelle Patterson ist wahrscheinlich der riskanteste der drei. Die Tatsache, dass er noch kein wirklich guter Routenläufer ist, macht ihn zu einem Risikofaktor, um den herum man einen Gameplan bauen muss. Er wird spezielle Plays brauchen, um den Ball in seine Hand zu befördern. Ist er dort allerdings erst einmal müssen sich Defenses in Acht nehmen.

Nun zur eigentlichen Frage nach einem generellen risikofreudigen Herangehen an den Draft von Vikings-Seite aus. Das würde ich im Großen und Ganzen bestätigen. Besonders die Ponder-Aktion wäre dann doch deutlich in der Kategorie „Reach“ einzuordnen (zu früh gedraftet). Auch die Tatsache, dass sie dieses Jahr für einen dritten (!) Erstrundenpick hochgetradet haben, spricht dafür, dass sie ihrem Scouting-Staff vertrauen und lieber wenige, dafür elitäre Talente draften, als viele „nur gute“ Spieler. Diese Herangehensweise kann durchaus als risikoreich beschrieben werden, da oft argumentiert wird, dass der NFL-Draft eine einzige große Lotterie sei (der Zufall also eine große Rolle spielen würde) und man durch das Hochtraden zu viele seiner möglichen Chancen auf einen „Hauptgewinn“ verlieren würde. Ob sich das auszahlt? Schauen wir mal.