Die Stars von morgen schon heute

Draftrückblick 2014: Jacksonville Jaguars

Weiter geht es mit unserem Draftrückblick in der AFC South. Heute sind wir bei den Jacksonville Jaguars zu Gast. Das Team aus Florida ist seit vielen Jahren chronisch erfolglos und erreichte auch in der letzten Saison nur vier Siege. Dabei waren diese vier Siege immerhin eine positive Überraschung, da man mit acht Niederlagen in Serie gestartet war und dann in den nächsten fünf Spielen seine vier Siege holen konnte. Nichtsdestotrotz ist man recht arm an Talent und die Quarterback-Position war nach dem Bust von Blaine Gabbert nicht wirklich gut besetzt. Im Draft hielten die Jaguars den dritten Pick.

 

Mit diesem wählten sie dann ihren Quarterback der Zukunft – so hofft man zumindest in Jacksonville. Blake Bortles hat am College von Central Florida, etwa zwei Autostunden von Jacksonville entfernt, gespielt. Er bringt ideale Voraussetzungen mit, um ein sehr erfolgreicher Quarterback in der NFL zu sein. Er ist groß, kräftig gebaut, besitzt einen starken Wurfarm und eine gute Athletik. Allerdings ist er noch sehr unausgereift in seiner Spielweise. Seine Fußarbeit ist einfach nur schlecht und sie wird unter Druck noch schlechter. Darunter leidet besonders seine Genauigkeit, die sehr inkonstant ist. Außerdem muss er noch lernen, Defenses besser zu lesen und bessere Entscheidungen zu treffen. Im Rahmen der Scouting Combine erzählte Bortles in einem Interview, dass er bei UCF keinen richtigen Quarterback-Coach hatte, der mit ihm an den Grundlagen arbeiten konnte – und eben das sieht man auch in seinem Spiel. Nun liegt es an den Coaches bei den Jaguars, das wieder geradezubiegen. Mal sehen, ob sie es hinbekommen – wenn nicht, haben sich die Jags den nächsten QB-Bust ins Haus geholt. Allerdings wird Bortles nicht direkt starten müssen. In Chad Henne hat man einen der besten Backup-Quarterbacks der NFL, der wohl als Starter in die Saison gehen wird. Hinter einer Offensive Line, die letztes Jahr große Probleme hatte, seinen Quarterback zu beschützen, ist dies auch keine schlechte Idee.

 

In der zweiten Runde schnappten sich die Jaguars dann einen Spieler, der etwas unerklärlich aus der ersten Runde rausfiel: WR Marqise Lee von USC. Ich sah in Lee einen Top-20-Pick und 2012 hat er am College seine Gegenspieler nach Belieben dominiert. Er ist ein technisch sehr gut ausgebildeter Receiver mit guten Route Running und sicheren Fanghänden. Besonders gefällt mir aber seine physische Spielweise. Auch wenn er „nur“ 6‘0‘‘ misst, gelingt es ihm seine Gegenspieler körperlich einzuschüchtern und sie zu überpowern. So ist er auch bei Jump Balls eine Waffe und als Blocker kann er es sogar mit Linebackern aufnehmen. Sein letztes Jahr war nicht so gut, weil er zunächst unter schlechtem Quarterback-Spiel, später unter einer Verletzung zu leiden hatte. Bei den Jaguars kommt er in ein Receiving-Korps voller Fragezeichen. Cecil Shorts ist eine gute Nummer zwei, daneben hat man noch Ace Sanders, der ein guter Slot-Receiver werden könnte, und Denard Robinson, die Offensive Weapon, bei dem niemand genau weiß, wie man ihn am besten einsetzen soll. Justin Blackmon, der krass talentierte Nummer-eins-Receiver, ist die komplette nächste Saison nach wiederholtem Drogenmissbrauch gesperrt. In die Rolle von Blackmon als erste Anspielstation könnte Lee reinrutschen. Der Übergang vom College zur NFL ist gerade für Receiver keine einfache, aber ich denke, dass Lee es recht schnell gelingen sollte.

 

Am Ende der zweiten Runde sahen die Jaguars dann einen Spieler, den sie unbedingt haben und auf den sie nicht mehr länger warten wollten: WR Allen Robinson von Penn State. Sie gaben ihren Dritt- und einen ihrer Fünftrundenpicks an die 49ers ab, um hochzutraden. Robinson bringt wie Lee gute Anlagen mit, um eine Nummer eins zu werden. Auch er ist dazu in der Lage, gegen physische Cornerbacks körperlich dagegenzuhalten und zu gewinnen. Er müsste noch an seiner Explosivität und Konstanz arbeiten, wenn aber er und Lee einschlagen, hätte man mit den beiden und Shorts ein sehr starkes Receiver-Trio beisammen, dem jeder Quarterback gerne seine Pässe zuwerfen würde.

 

Am Ende der dritten Runde sind die Jaguars dann wieder hochgetradet. Dieses Mal für OG Brandon Linder von der University of Miami. Im Trade gaben sie ihren Viert- und Sechstrundenpick an die Patriots ab. Linder ist sehr vielseitig einsetzbar, hat am College auch oft als Right Tackle ausgeholfen, wenn Seantrel Henderson mal wieder eine Verschnaufpause brauchte. Von seinem College-Tape her bin ich mir aber nicht so sicher, ob er das Zeug zu einem Starter hat. Er spielte mit zu wenig Kraft, oft zu aufrecht und zu langsam. In der löchrigen Offensive Line der Jaguars scheint er aber direkt als Starter eingeplant zu sein. In der Free Agency holte man bereits  Zane Beadles aus Denver, den man dort aber auch gerne ziehen ließ. Bei einer schwachen Offensive Line ist man ja gerne bereit zu sagen, dass jeder neue Spieler eigentlich nur helfen kann. Bei Beadles und Linder bin ich mir aber nicht so sicher, ob es besser wird.

 

In der vierten Runde, mit einem der Picks aus dem Eugene-Monroe-Trade, zogen die Jaguars CB Aaron Colvin von Oklahoma. Colvin war eingeladen, beim Senior Bowl dieses Jahres zu spielen, riss sich dann aber im Training vor dem Spiel sein Kreuzband und wird vermutlich in der kommenden Saison keine Spielzeit sehen. Zumindest wird er die Saison auf der PUP-Liste („physically unable to perform“) beginnen. Ich war ein größerer „Fan“ von Colvin als Christian und sah ihn vor seiner Verletzung als Day-Two Pick. Er müsste noch lernen, aggressiver zu spielen, als er es am College getan hat, aber mit gefielen seine Übersicht, seine Reaktionen und sein Tackling. Gus Bradley wird ihm das mit der Aggressivität schon eintrichtern können und wenn er sich von seiner Verletzung wieder komplett erholen kann, besteht durchaus die Möglichkeit, dass er ab 2015 Starter sein wird. In der sehr jungen Secondary der Jaguars gibt es außer John Cyprien wohl keinen sicheren Starter, entsprechend könnte Colvin seine Chance bekommen.

 

In den Runden fünf bis sieben zogen die Jaguars dann noch LB Telvin Smith von Florida State, den Kam-Chancellor-Klon für Gus Bradleys Seattle-Seahawks-Klon-Defense, DE Chris Smith von Arkansas, einen etwas kleinen, eindimensionalen Pass Rusher, C Luke Bowanko von Virginia und RB Storm Johnson von Central Florida, der mit Blake Bortles zusammen am College spielte.

 

An sich kein schlechter Draft der Jaguars. Alles wird davon abhängen, inwieweit Bortles einschlägt. Mit den zwei Receivern in der zweiten Runde hat man ihm zwei gute bis sehr gute Anspielstationen gegeben, die Offensive Line ist aber immer noch eine große Baustelle. Da hilft auch ein Luke Joeckel in Topform nur ein Stück weit. Linder und Beadles in der Mitte werden über sich hinauswachsen müssen, Center ist nach dem Karriereende von Brad Meester komplett offen und auf Right Tackle kämpfen ein paar ehemalige und aktuelle undrafted Free Agents, von denen noch keiner wirklich überzeugen konnte, darum, spielen zu dürfen. Diese Offense ist noch mindestens eine Offseason davon entfernt, wettbewerbsfähig zu sein. Die Defense sieht da schon deutlich besser aus, auch mit den Neuverpflichtungen in der Free Agency. Insgesamt sehe ich aber ein Team, das im nächsten Jahr vermutlich wieder in der Top Ten picken darf. Und vermutlich wäre es am besten, wenn Bortles nur im absoluten Notfall auf dem Feld steht.